Stellungnahme zum diesjährigen CSD-Motto: Offener Brief an den CSD-Verein

Liebe Engagierte des CSD-Vereins Freiburg,

wir wenden uns heute an Euch, weil uns das diesjährige Motto des Freiburger CSDs („Abwehrkräfte stärken … gegen Nazis, Covid-19 und andere bedrohliche Seuchen!“) zutiefst irritiert.
Der Freiburger CSD, den Ihr seit 2014 mit großem ehrenamtlichem Engagement und jährlich wachsendem Zuspruch organisiert, tritt seit seinen Anfängen mit einem klaren politischen und emanzipatorischen Anspruch auf. Wir halten diesen Anspruch grundsätzlich für richtig, insbesondere die entschiedene Abgrenzung gegen Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus.

Gerade vor diesem Hintergrund halten wir das diesjährige CSD-Motto allerdings für völlig verfehlt, weil es diesen Anspruch – wenn auch offenbar entgegen seiner Absicht – konterkariert. Indem das Motto Menschen mit einer „Seuche“ identifiziert, folgt es einem Motiv, das zum ideologischen Kernbestand der politischen Rechten und insbesondere auch des Nationalsozialismus gehört. Die Stigmatisierung, Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen auf Grundlage von biologistischen Vorstellungen, die sich gerade bei der Infektiologie bedienen, hat in der politischen Rechten eine lange und furchtbare Tradition; sie reicht vom Antisemitismus im 19. Jahrhundert über den historischen Faschismus und Nationalsozialismus bis hin zur Stigmatisierung homosexueller Männer während der Aids-Krise („Schwulen-Seuche“).

Wir haben keinen Zweifel, dass es nicht Eure Absicht war, den Freiburger CSD mit dieser unheilvollen Rhetorik und Ideologie in Verbindung zu bringen, die allem widerspricht, wofür der CSD als Gedenk- Kampf- und Demonstrationstag der LSBTIQ*-Bewegung steht. Gerade deshalb möchten wir Euch dazu aufrufen, das Motto zu überdenken.
Die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt bieten auch in diesem Jahr zahllose Anlässe, um auf die Straße zu gehen. Lasst uns dies in Freiburg unter einem Motto tun, das nicht selbst der Menschenfeindlichkeit verfällt, gegen die es sich eigentlich wenden möchte. Lasst es uns unter einem Motto tun, dass unsere Community in Solidarität vereint.

Mit freundlichen Grüßen
Eure Rosa Hilfe Freiburg e.V.

Anke Rietdorf
Geschäftsstelle

Die Vorstände:
Mathias Falk
Johannes Thomas 
Sören Wulf