“Bist du schwul?” – Mit dieser Frage sollen Freiburger Polizisten am Sonntagabend Männer auf dem Parkplatz am Opfinger See kontrolliert haben. Schwule sind entsetzt und vermuten gezieltes Vorgehen gegen das sogenannte Cruising.
Am Tag danach ist Tibor E. (Name der Redaktion bekannt) noch immer aufgelöst. Am Sonntagabend, kurz nach 22 Uhr, hatten Beamte der Polizei Freiburg E. auf dem Parkplatz des Opfinger einer Personenkontrolle unterzogen. “Ich bin mir vorgekommen, als wäre ich kriminell”, sagt der Südbadener Anfang 50. “Ich hatte Angst, dass gleich ein Wagen kommt, um mich abzuholen.”
Die Polizeibeamten fragten Männer: “Bist du schwul?”
E. war zum “Cruising” auf dem Parkplatz – so nennt man die von homosexuellen Männern praktizierte Suche nach Sexualpartnern an öffentlichen Orten, die einen geschützten Rahmen bieten – wie Wälder, Parks oder öffentliche Toiletten. Auch Heterosexuelle treffen sich so – oft auf Autobahnparkplätzen. Die Kontaktaufnahme findet ritualisiert ab, eventueller Sexualverkehr an versteckten Orten oder auch Zuhause. “Da wird niemand angesprochen, der nicht genau deswegen da ist”, sagt Tibor E., der das Cruising dem Online-Dating vorzieht.
Die Beamten kontrollierten Fahrzeug- und Führerschein, Personalausweis und machten sich Notizen – ausgerechnet am Ende des Wochenendes, an dem Freiburg in der Innenstadt einen kunterbunten Christopher Street Day mit Parade gefeiert hatte (Fotos& Video).
Zudem hätten die Beamten in Autos hinein geleuchtet, Kofferräume kontrolliert und seien Wege abgegangen. “Es wurden ganz klar nur Schwule kontrolliert.” E. traute sich nicht zu fragen, was der Grund für die Kontrolle sei – ein andere Mann habe das getan und sei harsch informiert worden, dass ihn das nicht zu interessieren habe.
Die Polizei weist gezieltes Vorgehen gegen die Szene von sich
Auch der 36-jährige Steffen R., selbst Polizist im Maingebiet, geriet in die Kontrolle auf dem Parkplatz. “Ich war geschockt vom Vorgehen der Beamten. Es war offensichtlich, was da los war, und dass nur männliche Personen kontrolliert wurden.” R. wurde gefragt, was ihn zu dieser Zeit an den See führen würde, ein Mann in einem Auto neben R. sei direkt gefragt worden: “Bist du schwul?” Die Beamten hätten auch das Seeufer kontrolliert und mit Taschenlampen ins Gebüsch geleuchtet. “Als sei es das Ziel gewesen, jemanden in flagranti zu erwischen”, sagt R. Auch auf Cruising-Landkarten im Internet verweisen Nutzer auf häufige Kontrollen am Opfinger Baggersee.
Die Polizei weist den Vorwurf des gezielten Vorgehens gegen die Szene zurück, auch wenn der See tatsächlich kontrolliert werde. “Es wird verstärkt darauf geachtet, dass die Nutzungsbeschränkungen am Baggersee eingehalten werden”, sagt Polizeisprecherin Laura Riske. Es gehe darum, Techno-Partys zu verhindern und das Waldbrandrisiko zu verringern.
Stefan Zimmermann vom “Gentle Man”-Projekt der Aids-Hilfe Freiburg, dass sich an Männer richtet, die Sex mit Männern haben, ist indes entsetzt. “Für Männer, die ein Doppelleben führen müssen oder wollen, ist Cruising oft der einzige Rückzugsort, an dem sie ihre Sexualität ausleben können”, sagt er. “Solange niemand belästigt wird, sehe ich da einfach kein Problem.”
Fehlt ein Austausch zwischen Szene und Polizei?
Für Männer, die ihre Homosexualität nicht offen leben, seien derartige Kontrollen durch die Polizei verheerend: “Diese Männer sind ohnehin schon in einer psychischen Ausnahmesituation, da verursacht sowas große Angst”, sagt Zimmermann. Vor einigen Jahren hätte die Polizei in einer Gemeinde nahe Basel etwa Autos und Nummernschilder fotografiert und so cruisende Männer in Panik versetzt. “Die Betroffenen hatten Angst, Strafzettel zu erhalten, die sie ihren Familien nicht hätten erklären können”, sagt Zimmermann. “Einige der Betroffenen kennen Kontrollen noch aus der Zeit des §175 und sind noch immer traumatisiert.”
Zimmermann fordert mehr Sensibilität: “Ich wünsche mir mehr Austausch zwischen Freiburger Organisationen und der Polizei.” Dass ausgerechnet am Opfinger See kontrolliert werde, sei unglücklich. “Das ist einer der wenigen verbliebenen Szene-Orte”, sagt Zimmermann. Der einst populäre Colombi-Park werde heutzutage von Männern aus Angst vor Gewalt gemieden. “Ich könnte eventuelle Kontrollen verstehen, wenn Männer vor Übergriffen geschützt werden sollten.”
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