(IN)VISIBLE

Geflüchtet, Queer und Hier!

In 66 Staaten wird Homosexualität immer noch strafrechtlich verfolgt, in 12 Ländern droht sogar die Todesstrafe. In einigen anderen Ländern gibt es zwar rechtliche Regelungen, die für „ausreichend Schutz queerer Personen“ sorgen. Allerdings werden queere Personen weltweit aber auch gesellschaftlich diskriminiert und ausgegrenzt. Resultierend aus der Erfahrung von Diskriminierung, sozialer Ausgrenzung, Gewalt bis hin zu Folter flüchten queere Personen aus ihren Herkunftsländern mit dem Wunsch, ihre sexuelle Orientierung und / oder Geschlechtsidentität(en) endlich sicher ausleben zu können. Allerdings ist auch auf der Flucht und in den Aufnahmeländern kein ausreichender Schutz für queeren Geflüchteten gewährt. Das kann daran liegen, dass die Personen nach wie vor in Ihren Herkunftscommunities untergebracht sind und die Strukturen in Deutschland keine sichtbare Offenheit gegenüber queeren Geflüchteten zeigen.

Wir nutzen queer als Sammelbegriff für alle Personen, die sich „dem Regenbogen zugehörig fühlen“, wie es eine Person aus unserer Gruppe queerer Geflüchteter rückmeldete. Damit meinen wir also LSBTQIA*-Personen, sehen aber von dieser Benennung ab, denn nicht alle Personen kennen diese Begrifflichkeiten (auch Personen die zur Community gehören), nicht alle Personen wissen, zu welcher „Kategorie“ sie gehören oder möchten sich diesen Kategorien nicht zuordnen. Zudem gibt es global viele weitere Begriffe, die Nicht-Heteronormatives bezeichnen und insbesondere auch von queeren Geflüchteten benutzt werden.

Asyl und Unterbringung

Aufgrund von fehlender Privatsphäre und queerfeindlichen Sozialisierungen, die zu Angst vor geschlechtsspezifischer Ablehnung, Anfeindung und / oder Gewalt führen, können queere Geflüchtete auch in Deutschland, insbesondere während des Asylverfahrens und in den Unterbringungen, ihre sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität(en) nicht frei ausleben.
Daraus und in Verbindung mit täglich zusätzlicher Re-Traumatisierung entsteht ein erhöhter Bedarf an psychologischer Unterstützung / themenspezifischer Beratung. Darüber hinaus sind die Geheimhaltung der geschlechtlichen Identität(en) und der sexuellen Orientierung und die Angst vor Zwangsouting (auch durch Sozialarbeitende) zusätzliche Stressoren und das erzwungen geübte „Verschweigen“ kann zu erheblichen Problemen im Asylverfahren führen. Denn in Deutschland ist Verfolgung aufgrund von LSBTQIA* ein anerkannter Asylgrund.

Generell wird im ersten Schritt des Asylverfahrens geprüft, ob der geflüchteten Person Gefahr durch Verfolgung im Herkunftsland droht (Gefahrenprognose). Da alle Menschen Recht auf Sexualität, Familien, Beziehungen und freie Auslebung des eigenen Geschlechts haben, wird bei queeren Geflüchteten bei der Gefahrenprognose davon ausgegangen, dass bei Rückkehr in das Herkunftsland die sexuelle Orientierung und / oder Geschlechtsidentität(en) offen gelebt werden. Das gilt auch, wenn die geflüchtete Person ihre sexuelle Orientierung und / oder Geschlechtsidentität bisher nicht auslebte / ausleben konnte. Wenn die Rückkehr und die offene Auslebung eine offensichtliche Gefahr darstellen, wie bspw. durch gesetzliche Kriminalisierung queerer Personen, haben sie ein Recht auf die Anerkennung des Asyls in Deutschland. Hierzu muss dieser Asylgrund frühzeitig benannt werden.

Ersichtlich wird, dass queere Geflüchtete einen besonderen Schutzbedarf haben. Dies wurde auch in den EU-Aufnahmerichtlinien so festgeschrieben. Queere Geflüchtete brauchen sichere Unterkünfte (ggf. Einzelunterbringung oder LSBTQIA*-Unterkunft) und sichtbare Offenheit der Strukturen in der Unterkunft, um besondere Schutzbedarfe überhaupt anwenden zu können, psychosoziale Unterstützung und rechtliche Beratung. Sie benötigen mehr Sichtbarkeit und dadurch Sicherheit!

(IN)VISIBLE ist ein Projekt der Rosa Hilfe Freiburg e.V. und wird gefördert im Rahmen des Bundesprogramms “Demokratie leben!” vom Bundesfamilienministerium.