[CHILLI] „Angst vor dem Karriereknick“: Freiburger Polizisten beraten homosexuelle Kollegen

Ein Satz bei der Pressekonferenz zur Organisation des Polizeipräsidiums Freiburg lässt aufhorchen: Freiburg habe seit Anfang des Jahres zwei sogenannte AGL – Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. chilli-Autorin Tanja Bruckert hat nachgehakt, was es damit auf sich hat, und sich mit Oberkommissarin Danila Matusche, 46, und Polizeikommissar Rainer Ledwig, 44, getroffen. Die beiden Polizeiberater haben ihr von ihren Erfahrungen erzählt, die sie als Homosexuelle in einem männerdominierten Beruf gesammelt haben, und wie sie anderen Polizisten helfen möchten.

chilli: Wen beraten Sie?
Matusche: In erster Linie gilt die Beratung für schwule und lesbische Polizeibeamte, die wir beim Outing begleiten, und denen wir helfen, falls es Probleme am Arbeitsplatz gibt. Wenn aber ein Bürger aufs Revier kommt und etwas anzeigen möchte, das mit homophober Gewalt zu tun hat, bieten wir uns ebenfalls als Ansprechpartner an. Für manche ist es vielleicht einfacher darüber zu sprechen, wenn sie wissen: Da ist jemand, der meine Ängste und Sorgen versteht.
Ledwig: Wir sind aber auch für die Kollegen da. Wenn es heißt: Hilfe, wir haben einen schwulen Kollegen und wissen nicht, was wir mit dem tun sollen (alle lachen), dann können wir die Angst nehmen und zeigen: Wir sind ganz normale Menschen.

chilli: Homosexualität bei Künstlern ist kaum eine Erwähnung wert, warum erregt ein schwuler Fußballer oder Polizist gleich Aufsehen?
Matusche: Beides sind immer noch männerdominierte Berufe. Ich denke, deswegen haben die schwulen Kollegen auch größere Schwierigkeiten, sich zu outen. Danach – das sind auch unsere Erfahrungen – gibt es eigentlich keine Probleme.

chilli: Sie haben keinerlei negative Erfahrungen gemacht? Keine Anfeindungen oder dummen Sprüche?
Ledwig: Nein. Ein einziger Kollege hat mir gesagt, dass er damit nicht umgehen kann. Und ich fand es gut, dass er mir das offen mitgeteilt hat.
Matusche: Was hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, können wir natürlich nicht sagen. Ich denke, so offen, wie es nach außen hin scheint, sind wir bei der Polizei nicht alle. Deswegen ist es so wichtig, dass wir das Thema öffentlich machen.

chilli: Haben Sie von Anfang an geplant, sich den Berufskollegen gegenüber zu outen oder ist es Ihnen schwer gefallen?
Ledwig: Ich habe mich geoutet, indem ich einfach meinen Freund zur Weihnachtsfeier mitgebracht habe – da war ich schon eine ganze Weile bei der Polizei. Die Kollegen waren zunächst überrascht, fanden das aber gut.
Matusche: Bei mir war es ähnlich. Es ist nicht so, dass man zur Polizei geht und sich sofort outet. Ich habe es zwar nicht bewusst verschwiegen, bin aber auch nicht mit dem Thema auf die Leute zugegangen. Bis ich dann mal darauf angesprochen wurde. Das ist jetzt so zehn Jahre her. Zu der Zeit war das nicht so einfach, aber ich glaube, heute sind die Frauen etwas offener. Bei den Männern bin ich mir da nicht so sicher.
Ledwig: Ich glaube auch, dass die Männer ihre Homosexualität eher versteckt halten.

chilli: Warum ist das Outing für viele so ein schwerer Schritt?
Ledwig: Viele befürchten, dass die Karriere einen Knick bekommt, wenn man seine Homosexualität öffentlich macht. Gerade wenn man jung ist, ist die Angst groß, dass der eine oder andere einen dann auf dem Kieker haben könnte.

chilli: Sind das unbegründete Ängste oder ist da was dran?
Matusche: Ich würde aufzeigen, dass es hinterher einfacher ist. Man ist lockerer und muss nicht überlegen, was man von seinem Privatleben erzählen kann und was nicht.
Ledwig: Es kostet einfach viel Kraft, sich zu verstecken.

chilli: Wobei es sicher auch Menschen gibt, die sagen, das ist mein Privatleben und das trenne ich von meinem Beruf.
Ledwig: Klar, das ist auch in Ordnung. Es gibt den Spruch: Ich bin kein schwuler Polizist, sondern ich bin Polizeibeamter und schwul. Verstehen Sie, was ich meine? Ich bin nicht als Schwuler bei der Polizei angestellt und gehe mit dem rosa Fähnle herum. Die Arbeit steht im Vordergrund und dass da jemand schwul ist, sollte genauso üblich sein, wie dass jemand verheiratet ist.

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